Oft wird das Schreckenswort „Beziehungsunfähigkeit“ wie ein Schimpfwort gebraucht und viele Menschen sind leider nur allzu schnell bereit, Menschen mit Bindungsproblemen als beziehungsunfähig abzustempeln. Andere wiederum neigen dazu, die Probleme beziehungsunfähiger Menschen und ihrer Partner zu banalisieren und sehen in Bindungsproblemen nur eine Ausrede für egoistisches Verhalten. Was aber davon stimmt, wo ist die Mitte, und was ist Beziehungsunfähigkeit überhaupt genau?
Nicht jede schlechte Beziehung hat pathologische Züge
Manchmal hatten zwei Menschen zusammen eine tolle Zeit, aber die Leidenschaft ist verglüht und sie haben sich auseinander gelebt. Solche Dinge passieren, und sie sind traurig, aber nicht krankhaft. Manchmal versuchen es auch zwei Menschen mit einer Beziehung, stellen aber nach einer gewissen Zeit fest, dass ihre Gefühle füreinander nicht stark genug sind, etwa, weil sie einfach nicht zusammen passen. Oder sie gehen wieder auseinander, weil einer der beiden mit dem Verlust der vorherigen Beziehung noch nicht ganz abgeschlossen hatte, als er sich auf die neue Bindung einließ. Jeder Mensch hat das Recht, in seinem Leben verschiedene Dinge auszuprobieren, und jeder hat auch das Recht, es wieder sein zu lassen. Manchmal aber nimmt das ständige Scheitern von Beziehungen krankhafte Züge an, vor allem dann, wenn ein Mensch immer wieder dem selben Muster folgt und der gesamte Freundeskreis schon sagt: „Mal sehen, wie lang es diesmal dauert…“, wenn der Betreffende glücklich erzählt, dass er frisch verliebt ist. Wer immer wieder die gleichen Trennungssituationen erlebt, der sollte sich ernsthaft fragen, ob er nicht die fließende Grenze zur Beziehungsunfähigkeit überschritten hat, und warum das passiert ist.
Die Gründe für Beziehungsunfähigkeit sind nie ganz eindeutig
Jede seelische Störung ist ein komplexes System für sich und äußert sich auf verschiedene Arten, die beim einen mehr, beim anderen weniger ausgeprägt sind. Kennzeichnend für die Beziehungsphobie ist aber immer eine massive Angst vor Nähe und Intimität – und damit ist nicht Sex gemeint! Bei der Angst vor Intimität geht es eher darum, seelische Blockaden zu spüren die sagen: “Hey, da kommt mir ein Mensch zu nahe, er könnte das ausnutzen und mich verletzen!“ Alles wäre gut, wenn beziehungsunfähige Menschen einfach sagen könnten: „Ich liebe es, Single zu sein und genieße meine Freiheit! Deswegen möchte ich auch in niemandem falsche Erwartungen wecken!“ Dem ist aber nicht so. Beziehungsunfähige Menschen erleben ihr eigenes Liebesleben immer als ein wollen, aber nicht können, und sie selbst leiden oft am meisten unter diesem Gefühlschaos!
Am Anfang war alles schön…
Wer einen beziehungsunfähigen Menschen kennen lernt, würde zu Anfang nie auf die Idee kommen, dass etwas nicht stimmt. Zu Beginn einer Beziehung ist jeder Mensch mit Bindungsängsten überzeugt davon, dass es diesmal die große Liebe ist, dass jetzt endlich alles gut wird. Die Ängste stellen sich erst ein, wenn die Schmetterlinge im Bauch verflogen sind, denn diese positive Aufregung verdrängt zuerst depressive und negative Angstgefühle. Kehrt aber die erste Routine in der Beziehung ein, wird es schwierig. Plötzlich verlangt der neue Partner Vertrauen, Zuverlässigkeit und Nähe. Diese „Ansprüche“ sind für Menschen ohne Bindungsangst völlig normaler Bestandteil einer Beziehung, sie geben Geborgenheit und Sicherheit. Wer Bindungsängste hat, fühlt sich davon aber extrem unter Druck gesetzt und versucht immer wieder mit Ausreden und Ausflüchten, Nähe zu vermeiden. Die Bindungsangst selbst allerdings ist alles andere als eine Ausrede – der bindungsunfähige Mensch versteht seine Gefühle selbst nicht und versucht daher, sich mit Ausflüchten vor Verletzungen zu schützen. Wäre ihm seine Erkrankung bewusst, würde er nicht in einer Beziehung leben, sondern sich als Single auf seine Therapie konzentrieren, um seine Ängste kennen zu lernen und einen konstruktiven Umgang damit zu finden.
Beziehungsangst hat tiefe Wurzeln
Echte Beziehungsunfähigkeit hat immer einen sehr ernsten und schmerzhaften Hintergrund, denn niemand verzichtet freiwillig auf Wärme und Nähe! Die Ursachen reichen oft bis in die Kindheit zurück, aber auch Erwachsene können traumatische Erfahrungen machen und so verdrängen, dass sie sie später nicht mehr bewusst benennen können. Zurück bleibt nur eine diffuse Angst, wenn ein Beziehungsphobiker durch bestimmte Ereignisse an traumatische Erlebnisse erinnert wird. Das können auch durchaus schöne Ereignisse sein! Gründe für eine Bindungsangst können sexueller Missbrauch, Gewalterfahrungen, suchtkranke Eltern, eine Borderlinestörung und vieles mehr sein. Die Gründe der Beziehungsprobleme sind deshalb so schwer zu lokalisieren, weil die bestehenden Traumata oft in Beziehungen stattgefunden haben, die sehr verletzend und komplex, aber auch schön waren. Ein Kind liebt seine Eltern, ganz gleich, was sie ihm antun. Die Zwiespältigkeit, die dadurch entsteht, vermittelt dem Kind: Wenn ich geliebt werden möchte, muss ich dafür mit Angst und Schmerzen bezahlen. Diese paradoxen Gefühle kann ein Mensch nicht einfach abschalten, wenn er erwachsen wird und beginnt, seine eigenen Beziehungen zu führen! Liebe ist für derartig traumatisierte Menschen immer auch eine Bedrohung, aus der dann ihr eigenartig abweisendes Verhalten entsteht.
Selbst bindungsunfähig ist man nicht allein
Damit eine Bindungsunfähigkeit als ernste Störung überhaupt zu tage treten kann, ist natürlich eine Beziehung Grundvoraussetzung. Wer als eingefleischter Single vor vorn herein Bindungen vermeidet, in dem kochen auch keine Ängste hoch. Zu einer bindungsgestörten Beziehung gehören also immer zwei – derjenige, der sich um die Beziehung bemüht, und derjenige, der davor flieht. Solche Beziehungen sind oft von einer Schaukel aus Versöhnung und Streit geprägt, denn wenn der bindungsscheue Teil seinen Partner vergrault hat, vermisst er die Nähe, die ja aus der Ferne gar nicht mehr so bedrohlich aussieht – bis sie wieder eintritt. Wer den Verdacht hat, dass er sich in einen bindungsunfähigen Partner verliebt hat, der sollte das Thema möglichst einfühlsam und ohne jeden Vorwurf ansprechen – denn nur, was man benennen kann, kann man auch heilen.
Die 10 häufigsten Fehler die Beziehungen zum Scheitern bringen:
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