Eine Fernbeziehung zu führen, ist nie einfach. Fast jeder, der Anderes behauptet, macht sie entweder noch nicht lange mit oder verdrängt. Tatsächlich gibt es aber ein paar Strategien, die aus dem Erleben einer Fernbeziehung trotz allem eine interessante und positive Erfahrung machen können, aus der eine erstarkte Partnerschaft und Liebe hervorgehen kann.
Wichtig für die Entwicklung dieser Strategie ist die Ausgangssituation des Paares. Steht die Fernbeziehung gleich am Anfang der Liebesbeziehung, haben einander die Partner also nur als in der Distanz lebend kennen gelernt, ist es wichtig, auch über die Intensität des Wiedersehens hinaus eine Form der Normalität aufzubauen. Die ersten ein bis zwei Jahre jeder Beziehung sind gekennzeichnet von einem hohen Maß an Verliebtsein, gekoppelt an entsprechende Hormonausschüttungen. Das ist eine biologische Tatsache, die vielleicht nicht gerne gehört wird – zu unromantisch mutet sie an – aber dennoch sehr wichtig für das Verständnis jeder stabilen, langjährigen Partnerschaft ist. Denn in dieser Zeit ist die Toleranz für die kleinen Fehler des Anderen, für seine Unvollkommenheiten und Unvereinbarkeiten mit dem Selbst sehr hoch. Dieses intensive Kennen lernen des Anderen bildet das Fundament für die Zeit danach, in der Stück für Stück die Realität einbricht, und der Partner als die ambivalente, unvollkommene Persönlichkeit wahrgenommen wird, die er ist. Es ist für jede Partnerschaft extrem wichtig, wie diese Zeit des Überganges gestaltet wird – ob die Toleranz und liebevolle Geduld, die für den anderen automatisch vorhanden war in den ersten Monaten des Verliebtseins, hinübergetragen werden kann in den Alltag. Das bedarf Arbeit, und viel Offenheit; und immer wieder den Austausch über die eigenen Vorstellungen und Enttäuschungen.
Bei Fernbeziehungen sind all diese Emotionen und Prozesse quasi intensiviert. Das Grundsatzproblem jeder Fernbeziehung lautet denn auch: Es gibt keinen gemeinsamen Alltag. Das bedeutet: Es gibt für verliebte Paare die Reibungsfläche nicht, die die Realität in die Beziehung einziehen lässt und beiden Partnern vor Augen führt, ob sie langfristig füreinander geschaffen sein können – mit allen Hoch und Tiefs, und allen Facetten ihrer Charaktere.
Die meisten Fernbeziehungen werden aktiv an den Wochenenden geführt, Tage, die meist sowieso schon abseits der Wochentagsnormalität stattfinden. Mit dem Wiedersehen ist jedes Mal eine hohe Erwartungshaltung verknüpft. Und weil jeder der Beiden weiß, dass wenig Zeit bleibt, wird versucht, sie so schön, und mit so viel Positivem wie möglich zu füllen. Das bedeutet für junge Paare aber auch, dass die Hemmschwelle, über persönliche Probleme zu sprechen, Unangenehmes mitzuteilen, Profanitäten zu diskutieren, extrem hoch ist. Es sind aber eben diese Dinge, die langfristig eine Beziehung zu einer nachhaltigen Partnerschaft machen: Das Wissen nämlich, im anderen jemand zu haben, der in guten wie nun mal auch in schlechten Tagen an der Seite steht.
Fernbeziehungen, die nie andere waren, sollten nach etwa einem Jahr beginnen, den Alltag auch in die kurze Zeit einzulassen, die sie gemeinsam haben. Das kann mit kleinen Dingen beginnen – nicht immer muss schon alles eingekauft und geputzt sein, wenn der Andere kommt. Auch Haushaltssachen können gemeinsam erledigt werden. Natürlich achtet man mehr auf das, was man erzählt; aber es sollten auch die kleinen Ärgernisse und die Sorgen dabei sein, die man sich die Woche über macht. Gut ist es, hierfür eine eigene Zeit zu definieren, vielleicht ein, zwei Stunden nach dem Frühstück, in denen jeder von beiden in Ruhe von sich selbst erzählen kann – und zwar tatsächlich von dem, was störend war die Woche über. Auch eine eigene Streitkultur muss entwickelt werden. Aber natürlich ist es deprimierend, die wenige gemeinsame Zeit im Konflikt zu verbringen. Deshalb und überhaupt sollten Paare in Fernbeziehungen versuchen, auch die Tage, an denen sie einander nicht sehen, eine Kommunikationskultur zu entwickeln.
Damit sind nicht tägliche Pflichtanrufe gemeint, bei denen sich dann hinterher Sorgen gemacht wird, warum man sich „nichts zu sagen hatte.“ Denn wäre der Abend zusammen auf der Couch verbracht worden, wären vielleicht genauso wenig Worte gefallen – ohne dass es Anlass zur Beunruhigung gegeben hätte. Es geht vielmehr darum, dem Anderen die Möglichkeit zu geben, am täglichen Leben teilzuhaben. Schön sind Fotos von digitalen Kameras; sie sind sehr klein und handlich, und ein Bild ist schnell gemacht und per Mail verschickt, auch ohne viele Worte – und man hat das Gefühl, ein wenig beim anderen gewesen zu sein. Wenn es an Wochenenden doch einmal zum Konflikt gekommen ist, sollte ein Frieden nicht erzwungen, sondern vielmehr ein Ritual des Waffenstillstandes erfunden werden. Das ist eine Art des Beieinanderseins in Frieden, aber auch im bewussten Wissen, dass noch nicht alles besprochen wurde, und eine Lösung des Problems noch aussteht. Dann sollte sich jeder die Woche über die Mühe machen, sich Notizen zu seinem Standpunkt und dem des anderen zu machen. So können beim nächsten Wiedersehen die Standpunkte so ruhig und zeitsparend wie möglich ausdiskutiert werden.
All diese Punkte gelten übrigens auch für Paare, die bereits länger oder sogar lange zusammen sind, und sogar Familien gegründet haben, bevor beispielsweise die berufliche Situation eines Partners eine Fernbeziehung nötig macht. Hier kommen jedoch auch noch andere Aspekte zum Tragen. Denn meistens bleiben die Kinder bei dem zurückbleibenden Elternteil – das bedeutet, dass dieser eine Verantwortung alleine schultern muss, die zuvor geteilt war. Der abwesende Teil wiederum kommt in ein neues Jobumfeld, und muss sich erst mal mit den dort wartenden Herausforderungen beschäftigen.
Diese beiden Lebensentwürfe können schnell auseinanderklaffen, wenn beide Partner zu viel Verständnis vom Anderen erwarten, dieser das aufgrund seiner eigenen Umstände scheinbar unsensibel aber nicht geben kann. Wenn vor der Trennung auf Zeit eine gewisse Vorbereitungsphase liegt, ist es extrem wichtig – vor allem, wenn Kinder involviert sind – dass diese Probleme antizipiert werden. Auch wenn die Partnerschaft sehr harmonisch verläuft, kann es ratsam sein, drei bis vier Termine bei einem Paartherapeuten zu vereinbaren, um die häufigsten Fernbeziehungsfallen aufgezeigt zu bekommen und besprechen zu können. Falls dies nicht infrage kommt, ist die gemeinsame Lektüre entsprechender, psychologischer Fachliteratur angeraten – und zwar am besten solche, in denen Partner mit eben dieser Erfahrung zu Wort kommen. Oft glaubt man, die eigene Liebe und die Stabilität des Vorhandenen könnte alle Hindernisse überwinden – und das Distanz kein großes Problem sein könne. Das ist richtig – aber eben nur durch die nötige bewusste Auseinandersetzung mit dieser Situation.
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